Akute Herzinsuffizienz: Eine Krankheit oder nur eine Episode
Akute Herzinsuffizienz: Eine Krankheit oder nur eine Episode
San Francisco – Die mit 2 Jahren Verspätung im New England Journal of Medicine (2019; 381: 716-726) publizierten Ergebnisse der Studie RELAX-AHF-2 werfen für Kardiologen grundsätzliche Fragen auf. Ist die akute Herzinsuffizienz eine Erkrankung, deren rasche Behandlung die Lebenserwartung der Patienten langfristig verbessern kann, fragt ein Editorialist. Oder ist sie nur eine Episode, deren erfolgreiche Behandlung keinen Einfluss auf die weitere Prognose des Patienten hat?Die Studie RELAX-AHF-2 hatte an 6.545 Patienten untersucht, ob eine Behandlung mit Serelaxin eine Verschlechterung der Herzfunktion in den nächsten 5 Tagen verhindern und die Zahl der Herz-Kreislauf-Todesfälle in den folgenden 180 Tagen senken kann.
Serelaxin ist die rekombinante Version des Hormons Relaxin 2, das in der Schwangerschaft die Blutgefäße erweitert und dadurch eine ausreichende Perfusion der Plazenta sicherstellt. Das Medikament senkt bei Patienten mit akutem Herzversagen die Volumenbelastung des Herzens. Dies hat in der Vorläuferstudie RELAX-AHF zur Linderung der Dyspnoe beigetragen, einem zentralen Symptom des akuten Herzversagens.
Die Publikation der Ergebnisse im Lancet (2013; 381: 29-39) hätte möglicherweise die Grundlage für eine Zulassung als Medikament zur Symptomkontrolle bilden können. Der Wirkstoff hätte hier jedoch mit bereits vorhandenen effektiven und preisgünstigen Medikamenten konkurrieren müssen. Mit Diuretika oder Vasodilatatoren (und eventuell positiv inotropen Substanzen) lassen sich die Symptome einer akuten Herzinsuffizienz meist lindern. Sowohl die US-amerikanische FDA als auch die europäische Arzneimittelagentur (EMA) sahen keine Vorteile für Serelaxin.
Zweite Phase-3-Studie
Die FDA forderte eine zweite Phase-3-Studie. Dies kam den Ambitionen des Herstellers insofern entgegen, als die Ansprüche an Serelaxin höher gesteckt waren. Serelaxin sollte nicht nur die Symptome lindern, sondern auch die Prognose des Patienten verbessern. Dafür sprachen die Ergebnisse einer explorativen Analyse der RELAX-AHF-Studie. Danach senkte Serelaxin die Sterberate der Patienten in den 180 Tagen nach der akuten Herzkrise.
Das Ziel von RELAX-AHF-2 war, diese Ergebnisse zu bestätigen. Doch die im Frühjahr 2017 auf einem Kongress bekanntgegebenen Ergebnisse der Studie zeigten, dass Serelaxin diesen Ansprüchen nicht gerecht wurde. Der Hersteller beendete kurze Zeit später die klinische Entwicklung, sodass Serelaxin trotz seiner zweifellos guten symptomlindernden Wirkung heute nicht als Wirkstoff zur Verfügung steht.
Nach 2 Jahren wurden erst jetzt die Ergebnisse publiziert. Wie das Team um John Teerlink von der Universität von Kalifornien in San Francisco mitteilt, wurde durch die 48-stündige Infusion von Serelaxin in keinem der beiden primären Endpunkte ein Vorteil erzielt.
Der erste primäre Endpunkt war die kardiovaskuläre Sterberate nach 180 Tagen. Er trat in der Serelaxin-Gruppe bei 285 von 3.274 Patienten (8,7 %) auf gegenüber 290 von 3.271 Patienten (8,9 %) in der Placebo-Gruppe. Die Hazard Ratio von 0,98 war erwartungsgemäß nicht signifikant. Das enge 95-%-Konfidenzintervall von 0,83 bis 1,15 schließt weitgehend aus, dass ein Vorteil (oder Nachteil) übersehen wurde.
Auch beim zweiten Endpunkt, einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz an Tag 5, gab es keine Unterschiede. Der Endpunkt trat in der Serelaxin-Gruppe bei 227 Patienten (6,9 %) und in der Placebo-Gruppe bei 252 Patienten (7,7 %) auf (Hazard Ratio, 0,89; 0,75 bis 1,07).
Serelaxin ist nicht der erste Vasodilatator, der trotz teilweise guter symptomatischer Wirkung und einer Senkung des Troponin-Wertes (was eigentlich für eine Schonung des Herzmuskels spricht) die langfristige Prognose der Patienten nicht verbessern konnte. Andere vielversprechende Wirkstoffe wie das natriuretische Peptid Ularitid, der Adenosin-Antagonist Rolofyllin, das rekombinante BNP Nesiritid, der Endothelin-Antagonist Tezosentan oder der Vasopressin-Antagonist Tolvaptan hatten ebenfalls in klinischen Studien enttäuscht.
Für viele Kardiologen stellt sich deshalb die Frage, ob die symptomatische Kontrolle einer akuten Herzinsuffizienz überhaupt einen Einfluss auf die Prognose der Patienten haben kann.
Milton Packer vom Baylor University Medical Center in Dallas bringt die Debatte in einem Editorial auf den Punkt. Das akute Herzversagen sei keine eigenständige Erkrankung, sondern nur eine Episode einer chronischen Herzinsuffizienz, schreibt Packer. Um die Prognose der Patienten zu verbessern, müssten die Patienten in den asymptomatischen Intervallen intensiver betreut werden.
Dadurch könnten nicht nur die Episoden einer akuten Herzinsuffizienz vermieden, sondern die Sterblichkeit der Patienten auf Dauer gesenkt werden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass die Patienten während einer Dekompensation der Herzinsuffizienz nicht behandelt werden müssten. Dies sei allerdings mit den verfügbaren Medikamenten in der Regel gut möglich, so dass es hier keinen wirklichen Bedarf für weitere Medikamente gebe.
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